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Ungarische Medienzensur: It’s On

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Das erste Verfahren nach dem neuen ungarischen Mediengesetz trifft den mißliebigen Radiosender Tilos aus Budapest. Die Zensurbehörde der rechten Regierung wendet sich gegen die Ausstrahlung eines Ice-T-Songs.

Als völkische Wende in Ungarn hat die Kulturwissenschaftlerin Magdalena Marsovszky den Erfolg der Fidesz-Partei im April 2010 bezeichnet.1 Mit dieser Wahl kamen die konservativen bis rechtsradikalen Kräfte wieder in Regierungsverantwortung und spulen unter Ministerpräsident Viktor Orbán seitdem eine Agenda ab, mit der ein bürgerlicher zu einem autoritären Staat umgebaut werden soll. Antisemitismus, Antiziganismus, Rassismus und Homophobie gibt es als lauttönende Beigabe oben drauf.

Eine solche Entwicklung zeichnet sich bereits seit einigen Jahren ab. Erschreckende Vorfälle gab es dutzende: stumpfeste Parolen aus den konservativen Parteien, Hetzkampagnen in der rechten Presse, Übergriffe, Morde. Jedoch spätestens die Gründung der Ungarischen Garde, einer faschistischen Paramilitäreinheit hat 2007 die gefährliche, politische Situation in dem osteuropäischen Land auch international bekannt gemacht. Dem marodierenden Mob gehört die Straße, seinen Führern seit nunmehr neun Monaten die Parlamentsmehrheit und die Kabinettsbank.

Ende letzten Jahres hat Orbán unbeindruckt von internationaler Kritik ein neues Mediengesetz durchgepeitscht, das ein weiteres Etappenziel auf dem Weg zum Autoritarismus markiert. Mit dem Gesetz stehen seit dem 01. Januar nicht nur die öffentlichen, sondern auch alle privaten Medien unter staatlicher Kontrolle und ihre Publikationen unter einem allgemeinen Zensurvorbehalt. Wer Fernsehen oder Radio veranstaltet, ein Druckerzeugnis herausgibt oder lediglich ein Internetmagazin mit Texten füttert, wird sich in Zukunft vor Orbáns Häschern in acht nehmen müssen. Die waren schon am ersten Tag seit Inkrafttreten des Gesetzes fleißig: die Medienbehörde NMHH hat auf Grundlage der neuen medienrechtlichen Vorschriften ein Verfahren gegen das Budapester freie Tilos Rádió eingeleitet, weil der Sender den angeblich jugendgefährdenden Track »It’s on« von Ice-T ausgestrahlt hat, berichtet der Standard.2 Sollte die Behörde darin letztlich einen Verstoß gegen das neue Mediengesetz erkennen, droht dem Sender ein Bußgeld von bis zu 90.000 Euro. Man kann sich leicht ausmalen, dass eine solche Sanktionsdrohung jedes kleine Projekt in die Knie zwingen und der Regierung in kürzester Zeit eine Flurbereinigung der ungarischen Medienlandschaft ermöglichen dürfte.

Dass Tilos Rádió als erstes ins Fadenkreuz der eifrigen Zensoren gerät, kann indes nicht wirklich überraschen. Bereits vor einigen Jahren zog der Sender in einer bizarren Auseinandersetzung den Budapester Volkszorn auf sich: ein besoffener Radiosprecher beichtete Heiligabend 2003 seinem offenen Mikrofon, er würde gern alle Christen ausrotten. Sein Co-Moderator hielt dagegen, doch es half nichts mehr. Der Skandal war in der Welt. Tilos Rádió wurde daraufhin von offizieller Seite ein einmonatiges Sendeverbot aufgebrummt, in Protestbriefen wütender »Bürger« hieß es, die Radiostation betreibe »staatlich subventionierten Christenhass« bzw. »Dschihad gegen das Christentum«. Das Ganze kulminierte in einer Demonstration am 11.01.2004, die sich gegen den Sender richtete, dann jedoch zur skurrilen Generalanklage gegen Israel aufblühte. Unter den Fahnen der ungarischen, faschistischen Pfeilkreuzler wurden Transparente mit Slogans wie »Wo seid ihr berühmte Menschenrechtskämpfer, in Israel auf Menschenjagd?« mitgeführt und einträglich eine israelische Flagge verbrannt.3 Wo der Link zwischen einem nicht-jüdischen Budapester Radiosprecher mit Alkoholneigung und einem mehrere tausend Kilometer entfernten Land am Mittelmeer sein soll, wird aber wohl für immer das Geheimnis der rechten DemonstrantInnen bleiben.

Ähnlich schrill zeigt sich die Medienbehörde NMHH nun durch die Eröffnung des Verfahrens gegen Tilos Rádió. Den hornalten Ice-T Song 2011 jugendgefährdend und anstößig zu finden, wird wohl nur Beamten einfallen können, deren Kulturkonsum sich im Besuch des heimatkundlichen Néprajzi Múzeum erschöpft. Der Rapper jedenfalls nimmt den Vorfall sportlich und wirft sich auf seinem Twitter-Profil kurz und bündig in Pose: »I love it! The world still fears me.«

Anmerkungen

  1. Ein Mitschnitt des Vortrags, der am 02.12.2010 in Hamburg von der Forschungsstelle für Zeitgeschichte und dem Instituts für die Geschichte der deutschen Juden veranstaltet wurde, steht auf FreieRadios zum Abruf bereit.
  2. Der Standard »Wegen Rap-Songs. Erster Einsatz für neue Medienbehörde schon am ersten Tag des Bestehens«, 01.01.2011: Quelle.
  3. Für weitere Hintergründe zu diesem Vorfall sei auf einen Artikel auf Hagalil verwiesen: Quelle

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